Touren von Pilgerfred

Tag 01 Saint-Jean-Pied-de-Port – Roncesvalles 26,1km

Überqueren der Pyrenäen – mein schwierigster erster Tag mit 26,1 km

6:30 ich sitze am vorbereiteten Frühstückstisch; alleine. Für jeden Gast wurde eine Essens-Ration hingerichetet: ein halbes Baguette, ein Glas Organgensaft. Immerhin kann man sich genug Marmelade (Gsälz) sowie Kaffe oder Tee nehmen.

7:05 Start meiner Wanderung bei 10° und Nebel

Saint-Jean-Pied-de-Port ist ein schöner alter Ort mit 1800 Einwohner mit schmalen Gassen und Pflastersteinen sowie schöne alte Steinhäuser. Durch den Torbogen des Glockenturms der Kirche „Notre-Dame-du-Boût-du Pont“ gelangt man zur alten Steinbrücke an der Stadtmauer und kann so den Bach überqueren. Viele Pilger sind auch schon auf dem camino unterwegs. Meist in Zweiergruppen.

Bei „Pied de Port“ dachte ich irgendwie immer an Hafen – es bedeutet allerdings: „am Fuße des Passes“. Der gesammte Namen bedeutet also „Heiliger Johann am Fuße des Passes“. Bei der nun folgenden Tour wurde mir das nun auch klar. Mit 4km/h geht es die Asphaltstraße stetig bergauf. Die Umgebung versteckt sich geheimnisvoll im Nebel. Ich stelle mir so vor, dass hinter er Nebelwand Lautsprecher versteckt sind, welche Vogelgesänge und Kuhglocken ertönen lassen.

Einige Berggipfel ragen bereits aus dem Nebel hervor. Das sieht für heute vielversprechend aus. Bild 7:52.

8:10 nach 4km Jacke aus und Wanderstöcke an bei 9,5°
8:38 nach 5,6km Trennung von Wanderweg und Fahrradweg
9:22 auf 720m nach 7,2km noch 18,5km. Der Schienbein tut dank Stöcke weniger weh (noch)
9:40 auf 793m nach 7,7km noch 18,2km
Essen: Cola und ein Käsebaguette für 6,5€

Die Schmerzen am Schienbein werden stärker: Die Schwellung wird dick und leicht rötlich.

Ich denke ich habe den höchsten Punkt nun erreicht. Auf dem Berggipfel in der Nähe liegt noch etwas Schnee. Zum Glück muss ich da nicht noch höher rauf. Ich laufe also weiter leicht bergab und erreiche den Rolandbrunnen und die Grenze zu Spanien: bienvenido a españa.

Allerdings geht es jetzt aber immer noch bergauf. Sind wir bald da? So langsam habe ich keine Lust mehr.
Hier ist eine Schutzhütte. Da mache ich eine kleine Pause. Aus dem Kamin kommt Rauch. Wohnt hier der Almöli oder Ötzi? Zum Wohnen ist sie aber zu klein. Es ist eine Nothütte mit offenem Kamin. Hier wird man geräuchert. Schnell raus. Irgendein hirnloser hat ein Holzstück für Notfälle angezündet. Meine beiden Mitwanderer gehen schon mal weiter. Ich brauche noch ein bisschen, schmolle ein wenig und esse eine Kleinigkeit.

Ich gehe weiter und sehe da vorne etwas Weißes. Es ist tatsächlich der Schnee den ich vorhin mal von weiterem sah. Nicht zu fassen. Das selfi hier hab ich mir jetzt verdient.
Nach nun wirklich höchsten Punkt geht es sehr steil von 1500 auf 900m bergab Länge ca 6km.

Bei Regen ist dieser Weg wohl unmöglich begehbar: Steine, Geröll und Matsch. Bei Regen müssen sich hier Mensch und Wasser den Weg teilen.


Mein Problemfuß und ich wollen nicht mehr. Ich überlege so bei mir: wenn jetzt ein Schild kommt mit der Aufschrift „Brauhaus 3.0“ , kehre ich hier ein und stehe heute nicht mehr auf. Werd doch mal Komasaufen ausprobieren. Leider – oder besser zum Glück – kam kein Schild.
Komischerweise sind hier nur noch wenige Pilger unterwegs. Meist Ältere und sehr langsam laufende. Oh hab mich grad selber erwischt.

Da kann man durchlaufen – muss man aber nicht.

16:15 Ankunft in riesigen Herberge in Roncesvalles. Eine lange Schlange vor dem Pilgerbüro guckt mich an. Ich gucke zurück und meine dass die Schlange hier sehr lange sei. Dann wurde mir aber gesagt wie lange sie vorher war als mehr Pilger ankamen, die besser laufen konnten als ich.

17:00 endlich im Schlafsaal. Ein langer Schlauch mit 14 Betten Mir wurde ein Bett oben zugewiesen. Ohne Leiter erfordert das Hochklettern und insbesondere das Runtersteigen etwas Akrobatik. Hab irgendwie Angst meinem Untermieter aufs Gesicht zu treten. Wohin nur mit dem Rucksack und dem Inhalt?


Um zu den „sanitären Einrichtungen“ zu kommen muss man durchs Nachbarzimmer. Also in Summe auf knapp 30 Menschen kommen 2 „Duschen“, 2 WCs (eines ohne Licht) aber immerhin 3 Waschbecken. Natürlich für alle Geschlechter gemeinsam zu nutzen (weiblich, männlich und keine Ahnung was sonst noch). Ich dusche erst später – hab ich beschlossen. Es dauert sonst zu lange. Zuerst auspacken aufs Bett und Fußpflege.
Endlich in der Dusche. Hab noch nie so viel Schimmel auf einmal gesehen. Nur im Fernsehen. Wohin mit den Sachen? Am Boden 1cm Wasser, 1 Haken an der Tür, kein Hocker oder so. Beim Umziehen kam ich mit einem Fuß auf dem Boden. Der Socken ist nass. In der Dusche liegt das Ende vom Brauseschlauch – der Kopf daneben. Egal Duschkopf ist purer Luxus – geht auch so. Immerhin ist das Wasser warm. Das Anziehen hier ist noch schwieriger. Habe daher beschlossen ab langer Hose abwärts draußen weiter zu machen. Da ist es trockener und der Nächste kann rein.

Abendessen gibts für uns erst um 20:30. Zum Glück habe ich vorgesorgt und einige Kekse und Nüsse mitgenommen. Das war nicht unnötig. Draußen setzte der angekündigte Regen pünktlich ein. Zum Glück nicht auf dem camino (ist spanisch und heißt Weg).
20:30 Fußmarsch zum Abendessen. Eine kleine Spilunke. Als Vorspeise konnte man wählen zwischen Suppe oder Pasta. Leider hatte ich die Suppe gewählt. Sie war grün. Keine Ahnung was das war. Sowas hatte ich noch nie. Weil ich starken Hunger hatte, habe ich alles tapfer gegessen. Mein Magen war eh schon zusammengeschrumpft. Der Fisch war sehr lecker. Die wenigen Kartoffelscheibchen hab ich mir gut eingeteilt. Um ca 21:30 sollten wir aufstehen und gehen. Aber den guten Rotwein hier lassen wir nicht einsam zurück. Also „hau wech die Sch.“

22:00 Schnell noch Zähne putzen und ins Bettchen. Kurz nach 22:00 ging das Licht aus.

Ich suche suche noch nach einer angenehmen Schlafposition und höre schon wie sich Andere selbst in den Schlaf singen. Allerdings wirkt das nicht so gut bei mir. Es klingt so ähnlich wie wenn sich Esel die Nase putzen oder beim Holz sägen. Ein besonders originelles Geräusch höre ich gerade: es kommt wohl von U-Boot wenn das Sonar auf den Feind trifft. Ich denke da an „Das Boot“ pfiiep – pfiiep – pfiiep. Nach geschätzten 4h Wendemanöver und immerhin 4h Schlaf klingen die ersten Wecker wie eine Erlösung. Ich bleibe aber noch etwas hier liegen und genieße die Unruhe unter mir. Erstens hab ich es nicht eilig, da ich heute nur wenige Kilometer laufen kann und zweitens weiß ich nicht wie ich hier runterkommen soll. Ist alles voll unter mir. Also sortiere ich hier oben mal meine Sachen und verpacke alles in die Plastiktaschen mit Reißverschluss. Im Rucksack muss ja alles seine Ordnung haben.

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